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Das Handwerk

Die Fahrt in die Sonne

Die frisch verschneite Arlbergstraße in der Morgensonne ©Rübelt
Der Start im Schatten ©Rübelt
Die Arlberg-Poststraße vom Hospiz St.Christoph aus gegen das "kalte Eck" ©Rübelt
Auch mit 1 PS kommt man mit der Zeit nach St.Christoph ©Rübelt
Die äusserst beliebten Aussichtsplätze, von denen man sowohl die Gegend als auch die nette Gesellschaft genießen kann ©Rübelt
Nach einem tüchtigen Schneefall muß die Straße oft durch einen Vortrain gesäubert werden, der Raupenschlepper der Posterverwaltung schiebt Schnee ©Rübelt
St.Christoph: Die Raupenschlepper sind angekommen ©Rübelt
Bretteln und Fahrer rasten in der Sonne. Mittagspause auf der Terrasse des Hospizes

Der Bildberichterstatter Lothar Rübelt fotografierte nicht nur auf Sportveranstaltungen, er hielt auch das Drumherum im Bild fest. Von Hüttenleben zu Tanzvergnügen, von Autofahrten zu Skitouren, nahm er das gesamte Wintersporttreiben vom Ski bis Après Ski auf.

 

Hier sein Bericht »Fahrt in die Sonne«, Schilderung des Aufbruches zu einem Skitag am Arlberg. Der Bericht erschien im Winter 1933/34.

 

Der Schnee knirscht unter den Schuhen der Skiläufer, welche in der grauen Morgendämmerung, die Bretter auf der Schulter, zum Verkehrsbureau in St.Anton wandern. Die Berggipfel erglühen schon in der Morgensonne, aber im Tal ist noch nächtlicher Frost. Rasch hinein ins Bureau um die Platzkarten, welche an die Vorgemerkten nach der Reihenfolge ihres Eintreffens ausgegeben werden. Da winseln auch schon mit höchster Tourenzahl die gelben Raupenschlepper durch den Ort heran und nehmen im Gänsemarsch Aufstellung. Die zuständigen Bretteln werden in den Behältern rechts und links verstaut, aber nur die Neulinge nehmen sofort Platz. Die Routinierten gehen kaltblütig frühstücken oder vervollständigen irgendwo ihre Toilette, welche unter der Hast des zeitlichen Aufbruches mangelhaft geblieben ist. Dies alles sehr zum Mißvergnügen der Wagenlenker, von denen jeder den sportlichen Ehrgeiz hat, mit seinem Vehikel als erster in St.Christoph anzukommen.


Die Abfahrtszeit ist da! Im Bureau herrscht ein wildes Gedränge, jeder Fahrer zählt zum sounsovielstenmal seine Schutzbefohlenen und ruft die fehlenden Nummern aus. Endlich ist der eine Wagen komplett, stolz fährt er aus der Reihe und setzt sich an die Spitze, da muss er schon wieder halten, denn eben gehen die Bahnschranken herunter! Wenn er das große Los gezogen hat, kommt er eines Morgens noch vorher hinüber und ist dann gute zehn Minuten vor der Konkurrenz in St.Christoph. So brummen aber gewöhnlich gleich vier Wagen in kurzen Abständen los. In der Ferne tauchen auf der Dorfstraße noch winkende Gestalten auf, die rasch näherstolpern. Der letzte Wagen, der »Lumpensammler«, füllt sich schnell. Die Nachzügler werden verstaut, mit einem Seufzer der Erleichterung klappt der Fahrer die Wagentür zu und fährt los. Der Tag ist inzwischen von den Höhen herabgeglitten. Die unsichtbare Sonne säumt schon leuchtend die  Schattenkontur der Berge. Das eintönige Brummen des Motors wirkt einschläfernd, man brütet vor sich hin.


Da wird plötzlich hinter einer Kurve die Grenze des Sonnenlandes sichtbar, wir tauchen aus dem Bergschatten, jähe grelle Sonner überflutet uns, geblendet schließen wir die Augen. Rasch die Schneebrillen! Im Nu ist die ganze Gesellschaft wach und munter, Ausrufe in allen Sprachen schwirren durcheinander.


Eine ungeheure Lebensfreude durchflutet uns, daß wir hier in Sonne und Schnee, in reiner prickelnder Winterluft uns regen und bewegen dürfen. Mit letzterem müssen wir uns allerdings noch eine kleine Weile gedulden. Doch bald passieren wir das »kalte Eck« mit dem wunderbaren Blick auf den Patteriol im Ferwall drüben, dann kehren wir ihm aber den Rücken und rumpeln in gesteigertem Tempo die schwache Steigung der Paßhöhe entgegen. Immer wieder stellen sich Hügel in den Weg, die umfahren werden wollen, bis endlich das rotleuchtende Hospiz in der Wintersonne daliegt. Noch eine kühne Kurve, die den Wagen talwärts wendet, dann krabbelt alles in fröhlicher Hast aus dem Kasten, um sich zu mehr oder minder großen Heldentaten auf den Bretteln zu rüsten. Über allem aber leuchtet, glitzert, funkelt und gleißt die wundervolle Wintersonne, die noch einen bitteren Stern in ein erbebendes Feuerwerk, wenigstens für die anderen, verwandelt.

 

© C. Rübelt, Sohn/Erbe Lothar Rübelts

 

 


 

 

Einige Gedanken zu diesem Text, der mich berührende Sätze enthält, mich nachdenklich macht

 

»Im Nu ist die ganze Gesellschaft wach und munter, Ausrufe in allen Sprachen schwirren durcheinander.«
Diese Menschen scheinen untereinander kommuniziert zu haben. Zudem müssen sie den Augenkontakt zu den Mitfahrern gesucht haben, was ja doppelt notwendig war, da sie vielfach nicht einmal die gleiche Muttersprache hatten. Ausserdem wurden sie nicht von störenden Kommunikationshilfen behindert.

»Eine ungeheure Lebensfreude durchflutet uns, daß wir hier in Sonne und Schnee, in reiner prickelnder Winterluft uns regen und bewegen dürfen.«
Dürfen. Das Wort drückt Dankbarkeit aus...Er darf in Urlaub, darf in den Schnee, es ist ein Geschenk, und er ist sich dessen voll bewusst. Abertausende Andere träumen davon, können es aber nicht.
Der Urlauber der heutigen Tage gibt eine Bewertung in einem Reiseportal ab. In den seltensten Fällen liest man in solchen Wortmeldungen irgendwelche Formen der Dankbarkeit. Es werden sachliche Bewertungen abgegeben, die Speisen, Service, Zimmer etc nach bestimmten Kriterien kühl abhandeln. Schließlich wurde nur ein Anspruch erfüllt, für den gezahlt wurde.    
»...fröhlicher Hast«
Fröhlich...
»...leuchtet, glitzert, funkelt und gleißt die wundervolle Wintersonne...«
Wundervoll...

 

Ein wundervoller Text über eine morgendliche Fahrt in die Wintersonne.

An dieser Stelle meinen Dank an C. Rübelt für die Erlaubnis, diese alten Schätze zeigen zu dürfen.